Eine Frau vor einer Tastatur, die sich ein Telefon zwischen Kopf und Schulter geklemmt hat.

Newroz Pîroz Be! Solidarität mit der HDP ─ Sonntagssenf #18

… und wie Kiel von der Stadtverwaltung zum Lieblingsort der Querdenkenbewegung gemacht worden ist.

In meinem kurzen, persönlichen, politischen Wochenrückblick geht es heute hauptsächlich um die Querdenken-Bewegung und wie sie der Kieler Stadtverwaltung auf der Nase herumtanzt und um das Kurdische Neujahrsfest. Und dann tagte in der vergangenen Woche noch die Ratsversammlung im digitalen Ruckelmodus.

Stadtverwaltung und Polizei lassen Kiel zum Lieblingsort der rechten, antisemitischen Querdenken-Bewegung werden

Ich kenne kaum Leute, die mittlerweile nicht genervt sind von den Corona-Maßnahmen. Ich selbst bin es auch. Nichtsdestotrotz sind sie leider im Großen und Ganzen notwendig, um das Wichtigste zu erhalten, was wir haben. Unsere Gesundheit und in letzter Konsequenz unser Leben.

Nun hat sich eine gefährliche Mischung aus Menschen zusammengefunden, die gegen die Maßnahmen auf die Straße gehen. Menschen, die gegen alle wissenschaftlichen Fakten leugnen, dass Corona gefährlich ist und Menschen, die an alle möglichen reaktionären Verschwörungs-Ideologien glauben, gehen gemeinsam mit der neuen Rechten und Nazis auf die Straße. In Kiel freut sich z.B. die Identitäre Bewegung sehr darüber, geschützt von dieser Menge endlich mal wieder ungehindert demonstrieren zu können. Es hat mich ehrlich gesagt schockiert, dass in Kiel je nach Angabe 900 (KN) oder gar 1500 (Schleswig-Holstein Magazin) Teilnehmer_innen mobilisiert werden konnten.

Trotz der geltenden Corona-Verordnung des Landes Schleswig-Holstein, die eine maximale Anzahl von 100 Teilnehmer_innen auf Demos gestattet und des Verstoßes gegen die Auflagen, Abstand zu halten und Maske zu tragen, durfte die Demonstration ungehindert durch Kiel ziehen. Weder Stadt noch Polizei griffen ein. Gilt Kiel doch schon lange als gutes Pflaster für derartige Versammlungen. Ich halte dieses Vorgehen mittlerweile für Absicht. Man will sich lieber „Ärger“ mit den Rechten ersparen, statt die Gesundheit der Kieler Bevölkerung, die von solchen Super-Spreader-Events gefährdet wird, zu schützen. Der Twitter-Kommentar des Ordnungsdezernenten der Stadt, das „Grundrecht auf Versammlung“ sei „genauso elementar, wie das Recht auf körperliche Unversehrtheit“ spricht Bände und erscheint mir mit Blick auf den Umgang der Polizei mit linken Demos geradezu zynisch. Und auch die Fraktionsvorsitzende der Grünen in der Ratsversammlung wollte Kritik nicht gelten lassen und antwortete auf Twitter auf meine Vorwürfe gegen den Leiter der Versammlungsbehörde mit Verbannungsphantasien aus der Stadt und meinte, dass ich in Kiel „nichts zu suchen habe“. Die vielbeschworene Toleranz der Grünen endet schon bei der Kritik am Handeln der Stadtverwaltung.

Das Wichtigste allerdings zum Schluss. Die gesellschaftliche Linke hat es wieder nicht geschafft, den Unmut vieler Leute progressiv zu wenden. Damit meine ich ausdrücklich nicht die weißen Wohlstandsbürger_innen, die mit den Rechten demonstrieren, sondern z.B. die vielen Arbeiter_innen, die wegen des viel zu geringen Kurzarbeiter_innengeldes um ihre schiere Existenz fürchten. Während die Besitzer_innen größerer Gastronomiebetriebe fürstliche Entschädigungen erhalten, müssen sich deren Angestellte mit 60% des Nettogehalts zufrieden geben. Zudem bleibt das Trinkgeld aus. Die Leidtragenden der Krise sind ebenso im Gesundheitssystem, im Lebensmitteleinzelhandel und bei den Paketdiensten zu finden, wo sich die Überstunden anhäufen und die Gefahr für die Gesundheit immens ist.

Wir müssen mit diesen Menschen zusammen die Corona-Krise zu einer Verteilungsfrage machen. Nicht die Rechten zusammen mit der gelangweilten Wohlstands-Bourgeoisie, sondern wir zusammen mit den Arbeitenden sollten eigentlich durch Düsternbrook ziehen und von den dort ansässigen Reichen fordern, dass sie gefälligst die Krise bezahlen. So es die Pandemie denn zulässt, wäre der Kampftag der Arbeit am 1. Mai ein gutes Datum dafür.

Solidarität mit der HDP

Der türkische Diktator Erdogan will die Schwesterpartei der Partei DIE LINKE in der Türkei, die HDP, verbieten lassen. Hunderte Mitglieder sind schon jetzt im Gefängnis, viele von ihnen ohne Prozess. Der einzige Grund ist ihr politisches Engagement für Frieden, Gleichberechtigung und Gerechtigkeit und das sie dabei so erfolgreich sind, dass sie die türkische Regierung in Bedrängnis bringen. Die HDP hat die Kommunalwahlen in weiten Teilen Kurdistans gewonnen und stellt dort viele Bürgermeister_innen. Die meisten von ihnen wurden mittlerweile abgesetzt und inhaftiert. Ich habe riesigen Respekt vor den Menschen, die sich trotzdem immer wieder aufstellen lassen, obwohl sie genau wissen, was sehr wahrscheinlich auf sie zukommen wird: Gefängnis und Folter. Dass nun die gesamte Partei komplett zerschlagen werden soll, liegt sehr wahrscheinlich daran, dass die Partei des Diktators, die AKP, die Kommunalwahlen in den großen Metropolen Istanbul und Ankara verloren hat. Dies war nur mit der Unterstützung der HDP für die Kandidaten der Opposition möglich.

Ich hoffe sehr, dass das Ausland Druck machen wird und innerhalb der Türkei viele Menschen auf die Straße gehen, damit in der Türkei wieder demokratische Zustände eingeführt werden. Es muss Schluss sein mit den Flüchtlingsdeals und den Waffenlieferungen. Stattdessen müssten Sanktionen für Mitglieder der Regierung ausgesprochen und deren Konten eingefroren werden. Ich weiß nur leider sehr genau, dass dies nicht passieren wird.

Ratsversammlung im Ruckelmodus

Die erste digitale Ratsversammlung verlief wie die gesamte Digitalisierung in Kiel, komplett im Ruckelmodus. Es war keine Freude, ihr vor dem Bildschirm zu folgen, und so habe ich das auch nur sehr eingeschränkt getan. Drei Dinge sind mir aber doch im Gedächtnis geblieben. Zum Einen die Antworten von Frau Grondke auf die Fragen einer Bürgerin zum Möbelmarktgelände, in denen sie nach meinen Informationen die Unwahrheit über die Arbeiten über den Zeitraum der Arbeiten auf den Ausgleichsflächen sagte und die Frechheit besaß Spaziergänger_innen als Gefahr für die Flächen einzustufen und den Möbelkonzern ungeschoren davonkommen ließ.

Zum Anderen wurde die Aufstockung der KiWoG um die stadteigenen Wohnungen beschlossen. Auffällig dabei ist, dass die Kooperation nun das Framing der Wohnungsbaugesellschaft von uns übernimmt und sie zu einer echten Akteurin in Kiel machen will. Ich hoffe sehr, dass dies nun auch umgesetzt werden wird.

Zum Dritten wurde ein Mobilitätsbeirat einberufen. Ich hoffe nur sehr, dass dieser nicht in erster Linie Konflikte abräumen soll, wie es die Grüne Fraktionsvorsitzende formulierte, sondern die Verkehrswende in Kiel endlich weiter vorantreibt. Wenn dafür erst auf einen Konsens innerhalb der Stadtgesellschaft gewartet werden soll, sehe ich schwarz für ein modernes, umweltfreundliches Verkehrssystem in unserer Stadt.

Das wars. Heute ein wenig länger, quasi als Doppelfolge, weil ich letzten Sonntag nach der großen Querdenkendemo erst einmal abschalten musste. Kommt gut durch die Woche!