Portrait von Björn Thoroe

Sonntagssenf #2

Mein persönlicher kurzer politischer Wochenaus- und rückblick mit einem klaren Schwerpunkt auf Kiel. Ich gebe aber auch meinen Senf zu anderen Themen dazu. Folge 2. Diese Woche ist wieder ziemlich viel passiert. Ich fange gleich mal mit dem Topthema an.

Corona

Die Corona-Lage verschärft sich immer weiter, die Regelungen werden strikter. Ich bin ein wenig angefressen darüber, wie das alles gelaufen ist. Es waren einige Monate Zeit, sich auf die kommende Welle einzustellen. Alle wussten, dass die kommt. Schon lange hätten Parlamente zusammen mit den Ministerpräsident_innen und der Kanzlerin einheitliche, bundesweite Regelungen finden können, die breit diskutiert und legitimiert gewesen wären. Vor allem wären dann regionale, dem Infektionsgeschehen angepasste Regelungen möglich gewesen. Dann müssten Gastronomie und Kultur hier im Land nicht unter den bis zu zehnmal höheren Infektionszahlen anderswo leiden. Außerdem erschließt sich mir die Logik nicht, dass Menschen in Sammelunterkünften mit hoher Ansteckungsgefahr nicht auf z.B. die nun leeren Hotels verteilt werden und die Corona-Hotspots in den Schlachthöfen nicht stillgelegt werden.

Im schlechtesten Falle verliert die öffentliche Hand nun diverse Gerichtsprozesse mit Bezug auf die Maßnahmen und in ein paar Wochen herrscht völliges durcheinander. Mit dem Ergebnis, dass die Infektionszahlen erst recht ansteigen. Mit Verordnungen regieren, Corona-Hotspots in Großraumbüros, Werkshallen und Schlachthöfen nicht dicht machen und stattdessen das private, politische und kulturelle Leben komplett herunterfahren, ist für mich nicht gut vermittelbar und stärkt letztendlich die gefährlichen, rechten Verschwörungstehoretiker_innen. Leider ist es nun aber so, wie es ist. Wir werden die Regeln erst einmal hinnehmen und dementsprechend Abstand halten müssen.

Auf der Straße

In Heikendorf sind Neonazis aktiv. Hakenkreuze und andere rechte Schmierereien sind aufgetaucht und von nächtlichen Schießübungen in der Umgebung wird ebenfalls berichtet. Dagegen sind nun erfreulicherweise am vergangenen Samstag sehr viele verschiedene Menschen aus Heikendorf und Umgebung auf die Straße gegangen (je nach Schätzung zwischen 500 und 800). Was mich dagegen fassungslos macht, ist die Berichterstattung des KN-Redakteurs Jürgen Küppers über die Demonstration. Er schreibt: „Die Antwort der Heikendorfer auf die rechten Provokationen fiel aber überraschend entspannt aus. Während des etwas vier Kilometer langen Demozuges durch die Gemeinde gab es weder Pfeifkonzerte, Getrommel, noch nennenswerte Sprechchöre. Auch die sonst bei solchen Anti-Nazi-Demos üblichen Störungen durch vermummte Autonome oder Antifa-Aktivisten blieben komplett aus.“ Hä? Welche sonst üblichen Störungen denn? War Herr Küppers jemals auf einer Anti-Nazi-Demo? Was soll dieses ständige Rumgehacke durch Redakteure der KN auf Leuten, die viel Zeit und Geld dafür opfern, sich dem braunen Mob entgegen zu stellen. Übrigens hat der Organisator der Demonstration antifaschistische Aktivist_innen aus Kiel ausdrücklich eingeladen und sehr viele, auch ich, sind dieser Einladung nach Heikendorf gerne gefolgt. Was Herr Küppers in seinem Artikel ebenfalls verschweigt, sind die Reden des Runden Tischen gegen Faschismus und Rassismus in Kiel sowie eine Rede der Autonomen Antifa Koordination Kiel. Das hätte wohl nicht zum Tenor seines Artikels gepasst.

Dazu kommt noch, dass Herr Küppers schlecht recherchiert hat, wenn er schreibt, es hätte an dem Tag keine Provokationen durch Rechte gegeben. Ansonsten wüsste er, dass Reifen von zwei Autos von Demonstrierenden zerstochen worden sind, während sich die Versammlung durch das Dorf bewegt hat.

Dabei hätte es andere spannende Fragen für Herrn Küppers zum Recherchieren gegeben. Zum Beispiel: Warum war der Heikendorfer Bürgermeister nicht auf der Demo? Warum hat es überhaupt so lange gedauert, bis die örtliche Politik auf das Naziproblem in Heikendorf reagiert hat? Und welche Rolle spielen Reichsbürger in Zusammenhang mit den dortigen Vorfällen? Das wären doch mal Fragen, mit denen sich die KN auseinandersetzen könnte.

Kurzes

Der Bundesparteitag der Partei DIE LINKE ist verschoben worden. Es wird nun einen zentralen Parteitag nächstes Jahr, einen dezentralen Parteitag an mehreren Orten oder einen digitalen Parteitag mit der Briefwahl des Parteivorstandes geben. Mal schauen.

Peter Grottian ist gestorben. Dieser sehr aktivistisch geprägte Professor hat mit seinen Schriften den Anfang meines politischen Aktivismus begleitet. Die Notwendigkeit zivilen Ungehorsams gegenüber Ungerechtigkeiten aller Art wird von ihm hervorragend begründet. Lest mal rein!

Die Kiellinie soll nun eventuell doch nicht autofrei werden. Der Oberbürgermeister weicht mal wieder beim geringsten Gegenwind zurück. So wird das nix mit der Verkehrswende in Kiel!

Bei einem anderen Thema bleibt der Oberbürgermeister leider sehr standhaft und stur. Die Fusion der Förde Sparkasse mit der Sparkasse Mittelholstein soll unbedingt durchgedrückt werden. Das ruft nun den Protest des bundesweiten Sparkassenverbandes auf den Plan. Wie DIE LINKE befürchtet dieser einen zunehmenden Einfluss durch private Anteilseigner_innen nach der Fusion und sieht darin die Sonderstellung aller Sparkassen bundesweit gefährdet. Der Verband droht sogar mit dem Entzug der Namensrechte sollte die Fusion durchgezogen werden. Dann hätte unser Oberbürgermeister dafür gesorgt, dass aus zwei Sparkassen nicht eine, sondern keine Sparkasse werden. Hoffen wir, dass es nicht so weit kommen wird.

Kreuzfahrtschiffe

Kreuzfahrtschiffe sind von den Corona-Maßnahmen ausgenommen und dürfen weiterhin vom Kieler Hafen aus ihrem Geschäft nachgehen. Mehr braucht man dazu, glaube ich, nicht zu schreiben…

Ausblick

Die Aktionswoche #RiseUp4Rojava beginnt heute und läuft bis Sonntag weiter. Zwar fallen die Präsenzveranstaltungen aus. Es gibt aber digitalen Ersatz. Unter https://www.facebook.com/events/3550113428401429/ findet ihr die Infos zur Veranstaltung „Rüstungsbetriebe in Kiel – Hintergründe und Kritik“. Wenn ihr z.B. noch nicht wusstet, dass in Suchsdorf 500 Menschen für Rheinmetall Panzer bauen, solltet ihr unbedingt reinschauen.Am Dienstag geht es dann weiter mit der Veranstaltung „REpresente – Die Zukunft ist jetzt“, bei der es um soziale Proteste in Argentinien geht. Infos: https://www.facebook.com/events/629178044421754/

Infos zur gesamten, weltweiten Aktionswoche findet ihr unter riseup4rojava.org

Am Mittwoch findet dann um 9 Uhr vor dem Landtag eine Kundgebung gegen die Verschärfung des Schleswig-Holsteinischen Polizeigesetzes statt (warum das repressiver Quark ist, habe ich letzten Sonntag aufgeschrieben) und Dienstag entscheidet das Bundesverwaltungsgericht darüber, ob der Fehmarn-Belt-Tunnel gebaut werden darf. Das wäre dann ein weiteres unsinniges und unökologisches Milliardengrab.

Kommt gut durch die Woche, bleibt gesund und lasst Euch von den Corona-Maßnahmen nicht zu sehr unterkriegen.✊