Schwarzfahren entkriminalisieren
Die Vertreter*innen der Landeshauptstadt Kiel in der Gesellschafterversammlung der KVG Kieler Verkehrsgesellschaft mbH werden angewiesen, der Geschäftsführung der KVG Kieler Verkehrsgesellschaft mbH folgende Weisung zu erteilen:
Die KVG Kieler Verkehrsgesellschaft mbH stellt ab sofort weder Strafanzeigen noch Strafanträge nach § 265a StGB wegen Beförderungserschleichung.
Begründung
Seit einiger Zeit wird auch auf Bundesebene diskutiert, das Fahren ohne Fahrschein von einem Straftatbestand zu einer Ordnungswidrigkeit herabzustufen. Es kann davon ausgegangen werden, dass dies in den kommenden Jahren auch umgesetzt wird.
Bei § 265a StGB, der das Fahren ohne gültigen Fahrschein unter Strafe stellt, handelt es sich um ein sog. relatives Antragsdelikt, sodass Fahren ohne gültigen Fahrschein in der Regel nur dann strafrechtlich verfolgt wird, wenn die Tat angezeigt bzw. Strafantrag gestellt wird.
Bei Fahren ohne Fahrschein handelt es sich um ein klassisches Armutsdelikt, dass in aller Regel aus der Not und nicht aus bösem Willen und krimineller Energie resultiert. Die Kriminalisierung bis hin zur Inhaftierung von Menschen, die in der Zwischenzeit bis zur Umsetzung der Gesetzesreform aufgrund eines Verstoßes zu einer Geldstrafe verurteilt werden und diese nicht bezahlen können, ist unverhältnismäßig und sollte auch im Kieler Stadtgebiet beendet werden.
Hinzu kommt, dass laut der Antwort auf die Kleine Anfrage Drucksache 0681/2024 „Nutzung der KVG-Busse ohne gültigen Fahrschein“ der Ratsfraktion DIE LINKE/Die PARTEI die Bearbeitung der Anzeigen durch die zuständige Staatsanwaltschaft in der Regel eingestellt wird und der KVG kein einziger Fall einer Verurteilung zu einer Ersatzfreiheitsstrafe bekannt ist. Die Verfolgung und Ahndung des Delikts belasten die bereits überlasteten Ermittlungsbehörden und die Justiz also ganz offensichtlich vollkommen unnötig zusätzlich. Die dadurch gebundenen Kapazitäten könnten wesentlich sinnvoller für die Ermittlung und Verurteilung von anderen Straftaten eingesetzt werden. Die Polizei, Staatsanwaltschaften und Gerichte müssen entlastet werden, um sich auf Dinge zu konzentrieren, für die sie gebraucht werden.
Auch ohne, dass Anzeigen nach § 265a StGB gestellt werden, bleibt Fahren ohne Fahrschein nicht folgenlos. Die Betroffenen schulden weiterhin der KVG das sogenannte „erhöhte Beförderungsentgelt“. Es bleibt der KVG unbenommen, dieses mit zivilrechtlichen Mitteln gegen Personen, die ohne gültigen Fahrausweis gefahren sind, durchzusetzen. Durch den Verzicht auf Anzeigenstellung entsteht der KVG weder ein finanzieller Schaden noch ein Mehraufwand.
Es gibt in Deutschland inzwischen diverse andere Städte wie Köln, Wiesbaden, Potsdam etc., in denen auf Anzeigen nach § 265a StGB verzichtet wird. Kiel sollte sich diesen Vorbildern anschließen.
Vorgang im Infosystem Kommunalpolitik:
Antrag der Ratsfraktion DIE LINKE / DIE PARTEI – 0985/2024
Status: Von der Ratsversammlung am 19. September 2024 zur endgültigen Beschlussfassung überwiesen in den Ausschuss für Wirtschaft und Digitalisierung (federführend) sowie den Ausschuss für Umwelt, Klimaschutz und Mobilität.